Wie schon beim Original, war der Chor der erste fertige Bauabschnitt des Modells.
Dabei war es ein langer Weg, von den handgefertigten Holz- und Kupfermodellen der Strebepfeiler und Giebeln bis zu denen aus Wachs.
Rund 50 Silikonformen für die diversen Bauelemente
haben sich angesammelt. Ein "Bausatz", der jedoch ohne freie Formergänzungen und Anpassungen nicht auskommt.
Die Abbildung zeigt ein den Chor in der Draufsicht mit dem charakteristischen Strebewerk
Steht man Chor des Domes verschlägt es einem die Sprache. Eine immerwährende Akkordfolge erfasst einen und es ist kaum möglich einen klaren Gedanken zu fassen. Je länger man davor steht, desto mehr sieht man. Doch für eine Umsetzung braucht es einen Anfang.
Von innen nach außen geformt gelingt die Annäherung, vorausgesetzt man verzettel sich nicht in Details.
Mit jeder weiteren Bauphase wächst der eh schon große Respekt vor den Baumeistern und Handwerkern, die dieses großartige Werk erschaffen haben und heute erhalten.
In dieser Zeit begannen außerdem die gestalterischen Vorarbeiten für die prägnanten architektonischen Bauteile des Kölner Doms. Man nehme entsprechendes Werkzeug und dazu Holz, Kleber, Aluminium, Kupfer und noch mehr Wachs – fertig. Auf diese Weise entstanden insgesamt sechsunddreißig solcher Bauteile für insgesamt fünfzig Silikonformen. Für eine der größeren Säulen brauchte es mehr als fünfzig Einzelteile; eine Kreuzblume besteht aus fünfundzwanzig Teilen, die ebenfalls per Hand gesägt wurden. Gekonnt zusammengesetzt ergaben die oben genannten Zutaten die Formen, in die der erhitzte Wachs eingegossen werden konnte. Nichts desto trotz war auch während der Arbeit mit dem „Bausatz“ aus Silikonformen ein ständiges freies Formen und händisches Anpassen unerlässlich. War der Wachs zu heiß, der Künstler zu ungeduldig oder die Innentemperatur in der Werkstatt zu hoch, ließen sich die Wachsabdrücke nicht ausformen.
Durch die tägliche Auseinandersetzung mit den architektonischen Feinheiten des gotischen Vorbilds wuchs der ohnehin schon bestehende Respekt vor den Fähigkeiten der mittelalterlichen Bauherren des Kölner Doms. Der gesamte Bauprozess des Tastmodells war ein tägliches Dazulernen.
Die Monate April bis Juni 22 waren vor allem den Arbeiten am Chor gewidmet. Bei der Positionierung der Dachgiebel, der Pfeiler und des Strebewerks am Chor machte sich die immer wieder erfolgte Berechnung und Korrektur des Grundmodells bezahlt. Vierungsturm und Dachgiebel waren jetzt vollständig gearbeitet. Im Mai war das Erstellen der Strebepfeiler abgeschlossen.
Jetzt war der richtige Zeitpunkt, das bisher Geschaffene einem ersten „Härtetest“ zu unterziehen. Es existieren zwar für viele Lebensbereiche Barrierefreiheitsvorschriften, die allerdings nicht verbindlich sind. Logischerweise galt es also, jemanden mit einer Funktionseinschränkung zu befragen. Noch wäre genug Zeit, entsprechende Änderungen vorzunehmen. Hierzu organisierte Peter Füssenich den Besuch eines Vertreters der Behindertenseelsorge des Erzbistums Köln in Begleitung von Herrn Florsdorf, der seit frühester Kindheit blind ist. Ein bewegender, wichtiger Moment für alle Beteiligten, als der eben Genannte nach Betasten des Modells anmerkte: „So sieht der aus!“ Herr Florsdorf bestätigte die Tastqualität des Modells und gab außerdem wichtige Hinweise zur Positionierung der Schriftfelder, die an den vier Seiten der Grundplatte vorgesehen waren. Die Tastfelder sind angeschrägt angebracht um zu verhindern, dass sich Regenwasser o.ä. darauf sammelt. Außerdem, so Florsdorf, sei durch die schräge Positionierung ein ergonomisches Abtasten für Menschen mit Funktionsbeeinträchtigung gewährleistet.